Lass uns eine kleine Zeitreise machen. Zurück zum 25. September 1986. Zu meinem 18. Geburtstag. Ich sitze an meinem runden, schweren, dunkelbraunem Holztisch. Vor mir liegt ein dicker, weisser Brief. Es sind keine Glückwünsche. Es sind die Adoptionspapiere. Ich kann schwer in Worte fassen, was damals in mir vorgegangen ist. Ich wusste, dass ich keine gute Mutter bin. Ich wusste, dass mein Sohn etwas besseres verdient. Also unterschrieb ich. Der Kampf dauerte 7 lange Jahre. Jeden Tag fragte ich mich: Habe ich die richtige Entscheidung getroffen? Ist mein Sohn gesund? Bin ich ein schlechter Mensch?
1994 wurde ich wieder Mutter. Und diesmal wusste ich, ich bin gut genug.
An einem Julimittag 2006 war ich mit meinem Sohn gerade beim Pizzabacken. Es klingelte an der Tür und ich wischte mir meine Hände an der roten Schürze ab. Ich öffnete. Dort stand ein junger, hochgewachsener Mann. Er lächelte mich an und sagte: "Hallo, ich bin dein Sohn."
Ich kann dir viele solcher Erlebnisse erzählen. Mein Leben war bisher wie eine Perlenkette. Mit jeder Perle musste ich etwas loslassen, das ich über alle Massen liebe. Mein Eltern, mein neugeborenes Kind, meine Existenz, mein Haus, meinen Ehemann, mein Modelabel, meinen geliebten Hund. Ich habe im Kinderheim gelebt, war 2 mal pleite, ich habe auf der Strasse übernachtet, ein Kind zur Adoption freigegeben, ich verlor meinen Mann an die Drogen.
Oft hatte ich kaum Zeit, einen Schicksalsschlag richtig zu verdauen. Es kam bereits der nächste. So hat das Leben hat mich zur Loslass-Expertin ausgebildet.